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Schicksalhafte Nächte - Isabelle

Isabelle lächelte aufgeregt in den Spiegel. „Das wird ein wunderschöner Abend, Amelie!“ Die fürsorgliche Zofe, die gerade dabei war, ihr rosafarbene Rosenblüten in die langen blonden Haare zu stecken, meinte „Oh Comtesse, ihr werdet euch sicher köstlich amüsieren! Bei euerem Anblick werden sich die Herren darum reißen, mit euch tanzen zu dürfen!“ Beide kicherten, aber es stimmte. Isabelle sah einfach bezaubernd aus, in ihrem rosa Ballkleid und mit den Rosen im Haar. Eine hübsche Silberkette, ihr Geburtstagsgeschenk, machte das Bild komplett. Sie freute sich schon so lange auf den großen Ball anlässlich  ihres 18. Geburtstages und nun würde er gleich beginnen. Ihr Onkel Jean de La Vallee, gleichzeitig Isabelles Vormund, hatte alles was Rang und Titel besaß eingeladen, um sie in die Gesellschaft einzuführen.

Die untergehende Sonne tauchte den Himmel in zarte Pastelltöne, als Isabelle fertig für den großen Auftritt ihr Zimmer verließ. „Viel Spaß!“ rief Amelie ihr augenzwinkernd nach. „Danke, den werde ich haben!", antwortete Isabelle. Unten im Saal warteten bereits die Gäste auf ihr Erscheinen. Sie holte tief Luft und stieg langsam die breite Treppe nach unten in den Saal hinab. Das Stimmengemurmel angeregter Unterhaltungen erstarb und bewundernde Blicke richteten sich auf Isabelle. Ein Raunen ging durch den Saal und man vernahm hier und da einige Oh’s und Ah’s. Als sie unten war, kam ihr Onkel auf sie zu. „Isabelle, du siehst traumhaft aus! Darf ich bitten?“ Er nahm seine Nichte bei der Hand und eröffnete den Geburtstagsball mit einem Walzer.

Es war, wie Amelie gesagt hatte: Die Männerwelt stand Schlange, um mit Isabelle tanzen zu dürfen. Aber Isabelle interessierte sich bald nur noch für einen Mann, nämlich den geheimnisvollen Fremden, der sie aus der Ferne beobachtete. Warum nur, wollte er nicht mit ihr tanzen? Während des Balles stellte Isabelles Onkel ihr immer wieder neue Leute vor, doch der junge Mann war nicht darunter. Dafür aber ein griesgrämiger, älterer Herr. Comte de Toulon, berüchtigt für seine pessimistische Weltanschauung, war offenbar extra aus Toulon angereist. „Ach, das Wetter ist auch nicht mehr das, was es einmal war. Nein, was hat es unterwegs geregnet!“, klagte er. Isabelle unterhielt sich der Höflichkeit halber eine Weile mit ihm, ließ sich dann aber gerne von ihrem Cousin Louis auf die Tanzfläche entführen. „ Louis, du bist mein Lebensretter“ lachte sie schalkhaft und wiegte sich im Walzertakt. Louis lächelte zurück,“ Ich weiß, was du meinst Cousinchen. So ist er eben, der Comte de Toulon“ Isabelle seufzte theatralisch, dann fragte sie „Sag, kennst du den jungen Mann da hinten neben der Säule?“ – „Der mich beobachtet“ –, fügte sie flüsternd hinzu.  Louis schaute sich unauffällig um. „Kennen wäre zuviel gesagt, aber soweit ich weiß, soll er ein Neffe des Comte de Gramont sein. Ein gewisser Roman de Montesquiou. Sei bitte vorsichtig mit ihm, Isabelle! Über die Gramonts existieren unheimliche Gerüchte und die werden ihnen sicher nicht umsonst nachgesagt.“ 

Der Tanz war zu Ende. Isabelle beschloss eine Tanzpause einzulegen und ging hinaus auf die Terrasse. Betörender Duft von wildem Jasmin lag in der Luft. Isabelle schloss die Augen und atmete tief ein, als es plötzlich raschelte und sie erschrocken die Augen wieder aufschlug. Eben war der Fremde auf die Terrasse hinausgetreten. „Oh, tut mir leid! Es lag bestimmt nicht in meiner Absicht Sie zu erschrecken.“, entschuldigte er sich artig. Isabelle war etwas verwirrt und daher viel ihr nichts ein, das sie erwidern konnte. Der Mann bemerkte es und versuchte die Situation zu retten, indem er sich vorstellte: „Verzeihung, ich habe mich gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Roman de Montesquiou. Herzlichen Glückwunsch zum 18. Geburtstag, Comtesse Isabelle!“ Er sah sie interessiert an. „Ich danke Ihnen!“ antwortete Isabelle ihm etwas schüchtern. „Wie finden sie eigentlich den Ball?“ Roman lachte und meinte „Ich wusste gar nicht, das ich ihn gesucht habe!“ Jetzt musste auch Isabelle herzhaft lachen. Das Eis war gebrochen und die beiden unterhielten sich über Gott und die Welt, als würden sie sich schon ewig kennen. Auch das Geheimnis, warum der brünette Roman mit den grünen Augen nicht mit ihr tanzte, konnte Isabelle klären. Er wollte schon ganz gerne, verspürte jedoch keine Lust sich Isabelle aufzudrängen, wie das andere bisweilen taten. Isabelle war gerührt! Nun wollte sie erst recht mit ihm tanzen „Und wenn ich dich bitte mit mir zu tanzen?“ Roman zwinkerte ihr zu „Da kann ich ja wohl schlecht nein sagen, Geburtstagskind!“ und führte sie nach drinnen auf die Tanzfläche. Während des Tanzes versank die Welt um sie herum. Sie sahen nur noch sich und nahmen die anderen gar nicht mehr wahr.  Isabelle durchströmte ein neuartiges Glücksgefühl, das sie nicht beschreiben konnte. Es war wie ein Feuer, das sich nicht mehr löschen ließ. Roman dagegen kannte das Gefühl bereits, denn seit er Isabelle die Treppe hatte herunter kommen sehen, ließ es ihn nicht mehr los.

Es war schon lange nach Mitternacht, als sich der Ball seinem Ende näherte. Isabelle und Roman gingen nach draußen auf die Terrasse, um noch einmal ungestört zu sein. „Bitte versprich, dass du mir schreiben wirst, Isabelle“, bat Roman. „Ja, das werde ich gerne tun“, antwortete sie ihm und Sehnsucht lag in ihrer Stimme. Dann küsste er sie, nahm ihre Hand und führte sie zurück in den Ballsaal.

Am nächsten Morgen lag Isabelle noch in ihrem  Bett und träumte vor sich hin, als es an der Tür klopfte. "Komm herein Amelie!" rief sie gähnend. Die Zofe  betrat das Zimmer. "Guten Morgen, Comtesse! Ich hoffe ihr habt gut geschlafen", grüßte sie. "Ach wunderbar Amelie, Guten  Morgen!" Isabelle schwang sich aus dem Bett. "Ich glaube, ich habe mich auf dem Ball verliebt!" , säuselte sie und ließ sich von der Zofe beim anziehen helfen. "Oh, das ist ja eine Neuigkeit! Wie heißt er den?" Isabelle lächelte  selig "Sein Name ist Roman de Montesqiou."

Zwei Wochen Später, flatterte eine Einladung ins Schloß der de La Vallees. Der große Sommerball war das gesellschaftliche Ereignis des Jahres und sollte wie immer beim Comte de Toulon stattfinden. Isabelle hoffte natürlich insgeheim, Roman wieder zu sehen und daher kamen ihr die drei Monate bis zum Ball unendlich lange vor. Zwar schrieben sie sich inzwischen, doch wegen dem Sommerball nachzuhaken, erschien Isabelle zu gewagt.

Schließlich war es soweit und  die de La Vallees reisten in ihrer  Kutsche zum Schloß des Comte de Toulon. Die Pferde trotteten in gemächlichem Tempo dahin. Isabelle strahlte mit der Sonne um die Wette und lächelte Amelie verschwörerisch zu. „Ich freu mich schon so auf den morgigen Ball“, warf sie in die kleine Runde. „Das kannst du auch, Kind, denn es wird eine Überraschung geben“ kündigte ihr Onkel an.

Isabelle saß in einem der Gästezimmer und wurde von Amelie für den abendlichen Sommerball herausgeputzt. Diesmal trug sie ein hellblaues Ballkleid und wieder sah sie einfach nur umwerfend aus. „Ob ich ihn auch wirklich wieder sehen werde, Amelie?“ fragte Isabelle unsicher. „Die Chancen stehen nicht schlecht, aber versteift euch nicht zu sehr darauf, Comtesse!“ meinte die Zofe und steckte noch ein Kämmchen fest. „Du hast recht Amelie, das sollte ich nicht tun, doch es wäre schon enttäuschend.“, gab Isabelle zu. „Ist ja auch verständlich, immerhin seid ihr in ihn verliebt, so und nun wartet der Ball auf euch!“ erwiderte Amelie. „Dann bis morgen früh!“, zwitscherte Isabelle, verließ das Gästezimmer und begab sich zum Rest ihrer Familie.

An der Tür zum Ballsaal wurden sie angekündigt „Comte Jean und Comtesse Cecile de La Vallee mit Sohn Louis und Nichte Isabelle!“. Comte de Toulon kam ihnen entgegen geeilt und ließ es sich nicht nehmen, sie persönlich zu begrüßen. „Ich hoffe, Sie und die Ihren hatten eine angenehme Reise, lieber Comte!“ Dann blieb sein Blick an Isabelle hängen. „Darf ich um den nächsten Tanz bitten, Comtesse Isabelle?“, fragte er. „Ja“, gab sie überrascht zurück. Der Comte nahm Isabelles Hand und beide gingen auf die Tanzfläche. “Oh, ihr werdet von mal zu mal schöner, Comtesse Isabelle.“, säuselte er ihr während des Tanzes ins Ohr. Dabei sah er sie auf eine unangenehme Art und Weise an, so das sie froh war, als der Walzer endete.

Endlich hatte sie Zeit, sich nach Roman umzusehen, doch sie konnte ihn nirgends entdecken. Sie fand ihn weder im Saal, noch auf der Terrasse, was nur einen Schluss zuließ: Er war nicht auf dem Ball! Diese Erkenntnis traf sie wie ein Blitz. Eine Welle der Enttäuschung schwappte jäh über Isabelle hinweg. Obwohl sie Roman vermisste, wollte sie versuchen, sich zu amüsieren. Das gelang ihr auch einigermaßen, bis Comte de Toulon sie erneut um einen Tanz bat. Er war der Gastgeber, da konnte sie schlecht „Nein“ sagen, also fügte sie sich in ihr Schicksal. Wieder bekam sie fadenscheinige Komplimente und irritiert fragte sie sich, was das Ganze sollte. Nach dem Tanz nahm das Verhängnis seinen Lauf. Es folgte eine kurze Unterbrechung und Isabelles Onkel Jean hielt eine folgenschwere Ansprache. „...und so gebe ich heute die Verlobung meiner Nichte Isabelle mit Comte de Toulon bekannt! Die Hochzeit soll in zwei Monaten sein.“

Isabelle erstarrte und wurde leichenblass. Nein, das konnte nicht sein! Sie die Frau dieses miesepetrigen Alten? Niemals!!! Kopfschüttelnd wich sie zurück und flüchtete aus dem Ballsaal. Sie lief so schnell sie konnte nach oben in ihr Gästezimmer und warf sich weinend aufs Bett. “Nein, ich will ihn nicht!“, schluchzte sie. „Mein Onkel kann mich doch nicht ernsthaft an den verheiraten wollen!“ Es klopfte an der Tür. „Nein, geht weg“ schrie Isabelle. Doch die Tür ging auf und Amelie kam herein gestürmt. „Die Comtesse Cecile schickt mich, ich soll nach euch sehen!“ Mit tränenüberströmtem Gesicht sah Isabelle zur Tür „Ach Amelie! Verheiraten wollen sie mich, mit diesem Comte de Toulon“ Die Zofe ging zu Isabelle und nahm sie tröstend in den Arm. „Ach, es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Sicher könnt Ihr eueren Onkel umstimmen!“ Isabelle nickte betrübt. „Versuchen werde ich es auf jeden Fall, Amelie!“

Seit dem Sommerball war fast eine Woche vergangen. Mittlerweile wusste Isabelle, dass es Onkel Jean  mit der Hochzeit ernst meinte. Die de La Vallees waren nicht wieder abgereist, sondern hatten auf unbestimmte Zeit Quartier im Schloss des Comte de Toulon bezogen. Isabelle kam sich vor, wie eine Gefangene und in gewissem Sinne war sie das auch. Voraussichtlich saß sie noch die sieben Wochen bis zur Hochzeit hier fest und dann für den Rest ihres Lebens! “Nein, auf keinen Fall werde ich diesen Toulon heiraten, eher sterbe ich“, schwor sie sich und setzte einen Brief an Roman auf. Darin schrieb sie ihm alles, was geschehen war.  Sie erzählte ihm, das ihr eine Flucht unmöglich erschien, da sie in einem Balkonzimmer im ersten Stock untergebracht sei und rings um das Schloss hohe Mauern und Wachen für ihre ‚Sicherheit’ sorgten. Anschließend vertraute sie das Schreiben ihrer Zofe an: “ Bitte Amelie sorge dafür das dieser Brief Roman direkt erreicht und ihn niemand sonst in die Finger bekommt!“

Ein paar Tage später erreichte Isabelle eine seltsame Nachricht: „Liebste, mach dir keine Sorgen. Hänge morgen Abend an deine Balkonbrüstung eine Blumengirlande und lass die Balkontür einen Spalt offen, dann wird alles gut.“ Die Botschaft war offensichtlich von Roman. Das erste Mal seit dem Sommerball huschte ein Lächeln über Isabelles Gesicht und sie dachte an ihre große Liebe. Doch sie machte sich auch Sorgen um Roman. Wie wollte er nur unbemerkt an den Wachen vorbei kommen?

Am nächsten Tag ging Isabelle mit Amelie in den Schlosspark Blumen pflücken. Sie wanden gemeinsam eine wunderschöne Girlande aus Rosen und Lavendel. Am Abend befestigte sie die Blumengirlande dann am Balkon und harrte der Dinge, die da kommen sollten. Plötzlich hatte Isabelle das Gefühl nicht mehr allein zu sein und drehte sich zur Balkontür um.

„Roman, du bist es wirklich!“ Isabelle konnte ihr Glück kaum fassen. „Wie kommst du nur hier herauf?“ Er flüsterte „Pst, leise! Das erkläre ich dir später.“ Sie fielen sich um den Hals und küssten sich. „Ich liebe dich, Roman.“, gestand Isabelle. „Ich dich auch! Du hast mir so sehr gefehlt.“ Beide unterhielten sich über die aktuelle Lage und Roman versicherte „Um Mitternacht vor der geplanten Hochzeit werde ich wieder kommen.Oh, Isabelle ich schwöre, ich hol dich hier raus!“ Nach ungefähr einer halben Stunde nahmen sie schweren Herzens Abschied voneinander.

Der Hochzeitstermin rückte unaufhaltsam näher und Isabelle wurde immer nervöser. Ständig buhlte der Comte de Toulon um ihre Gunst. Mal stand er mit einem Blumenstrauß vor ihrem Zimmer, ein anderes Mal lud er sie zu einer Kutschfahrt ein. Isabelle konnte das alles nur ihrer Hoffnung wegen auf ein Leben mit Roman ertragen. Auch heute, einen Tag vor der Hochzeit, ließ er sie nicht zur Ruhe kommen. „Comtesse Isabelle, darf ich sie zu einem Spaziergang in meinen Schlosspark einladen?“ Der Höflichkeit halber begleitete Isabelle ihn in den Garten. Sie pflückte hier und da ein paar Mohnblumenkapseln und achtete darauf, das er nicht bemerkte, wie sie etwas vom giftigen Wasserschierling aus dem Schlossteich fischte.“ Nun meine Liebe, wie steht es? Werdet ihr mir morgen Euer Jawort geben?“, fragte er ganz unverhohlen. “Niemals“, dachte Isabelle, biss sich aber auf die Lippen und schwieg. In Wahrheit fieberte sie schon der Nacht entgegen. Roman würde sie befreien kommen und wenn er es nicht tat, dann – aber darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken.

Es war Mitternacht, die Turmuhr schlug zwölf Mal. Isabelle trug noch ihr Abendkleid, während sie draußen auf dem Balkon saß und wartete. Grillen zirpten im Gras und der Duft der Kletterrosen betörte ihre Sinne. Kurz nach eins sah Isabelle auf ihre Uhr und wurde unruhig. „Wo Roman nur bleibt“, dachte sie. Er hatte doch gesagt Mitternacht und nun ist es schon so spät. Hoffentlich hält er sein Versprechen. Eine Stunde später war Roman immer noch nicht da. Die Hoffnung in Isabelle erstarb langsam und  abgrundtiefe Verzweiflung machte sich in ihr breit. „Warum kommt Roman nicht?“ fragte sie sich immer wieder. Eine weitere Stunde quälte sie sich, aber dann hielt sie es nicht mehr aus. „Ich muss etwas unternehmen, sonst stehe ich morgen als Braut vorm Altar“, dachte Isabelle. „Diesen Toulon heirate ich nicht, soviel steht fest. Eher bringe ich mich um!“ Als die Turmuhr drei schlug, schlüpfte sie langsam in ihr herrliches Brautkleid, setzte sich den Schleier auf und nahm von dem frisch angerührten, giftigen Schierlings-Mohngemisch. Dann legte sie sich für den ewigen Schlaf auf ihrem Bett zurecht.

„Isabelle?“, flüsterte Roman. „Isabelle? Wo bist du?“ Er schlich sich über den Balkon in Isabelles Gemach. Dort sah er sie in ihrem Brautkleid auf dem Bett liegen. „Isabelle wach auf, ich bin da!“ Nichts regte sich. Roman ging zu ihr hin und ein beklemmendes Gefühl sagte ihm, das etwas mit ihr nicht stimmte. Er fühlte ihren Puls. Der war zwar noch vorhanden, aber nur sehr schwach. Sein Blick fiel auf den Glasbecher, mit dem Pflanzengemisch. „Was ist das?“, dachte er und plötzlich wurde ihm alles klar. „Oh nein, was hast du getan, Isabelle! Du darfst nicht sterben!“ flehte er.  „Nun bleibt mir nur noch, dich in meine Welt zu holen...“ Sein Gesichtsausdruck veränderte sich und er entblößte zwei messerscharfe Reißzähne. Liebevoll bog er Isabelles Hals zurecht und küsste sie sanft in die Ewigkeit. Danach legte Roman den leblosen Körper vorsichtig auf das Bett zurück und verschwand so lautlos, wie er gekommen war.

Amelie klopfte morgens an die Tür, doch nichts regte sich. „Wie ungewöhnlich.“, dachte sie und betrat Isabelles Gemach. Die Zofe fand die Comtesse in ihrem Brautkleid auf dem Bette liegend. Sie versuchte, Isabelle wachzurütteln, aber die gab keinen Laut mehr von sich. „Nein!!!“, rief sie bestürzt, als sie Isabelles Puls fühlte. Voller Panik rannte Amelie los und schrie nach einem Arzt. Bald darauf kam sie mit dem Leibarzt des Comte de Toulon zurück, der Isabelle gründlich untersuchte. „Da ist nichts mehr zu machen, sie ist tot!“, stellte der Arzt fest. Amelie brach weinend am Bett zusammen. Die ganze Familie de La Vallee war schockiert. „Warum habe ich nur über ihren Kopf hinweg entschieden?“ fragte sich Onkel Jean verbittert und gab sich die Schuld für die Tragödie.  Der Comte de Toulon schwieg betroffen. Er hatte nicht geahnt, dass Isabelles Ablehnung so weit ging. Am frühen Nachmittag wurde sie in der Privatkapelle des Comte de Toulon aufgebahrt. „So ist das Brautkleid nun also dein Totengewand, meine Nichte“ , klagte Onkel Jean. „Ich kann kaum glauben, dass sie tot sein soll. Sie ist so schön wie sie hier liegt “schluchzte Isabelles Cousin Louis, während er ihre Wange streichelte. Alle trauerten um Isabelle und ihre Familie machte sich schwere Vorwürfe, sie zu der Hochzeit gedrängt zu haben.

Die Turmuhr schlug die zwölfte Stunde. Im hellen Schein des Vollmondes erwachte Isabelle zu neuem Leben. „Was ist nur passiert? Warum liege ich in einem Sarg?“ dachte sie verwirrt und erschrocken. Da erinnerte sie sich daran, dass sie Gift genommen hatte. Verwundert, dass sie offensichtlich noch am Leben war,  erhob sie sich und stieg aus dem Sarg. „Wie ist das nur möglich, ich müsste eigentlich tot sein!“ flüsterte Isabelle in die Stille hinein.  „Ja, das müsstest du“, antworte Roman, der hinter ihr aus einer Wandnische hervor trat.  „Roman, du hier? Was hat das nur alles zu bedeuten?“ Roman ging auf sie zu und nahm sie in seine Arme. “Bitte verzeih mir, Liebste! Ich wurde letzte Nacht durch unglückliche Umstände aufgehalten“, sprach er. „Es tut mir so leid, aber um dich zu retten, musste ich dich töten. Ich bin ein Vampir“. Isabelle sah ihn erstaunt an. „Ein Vampir?“ Sie befreite sich aus seiner Umarmung und wich unwillkürlich einen Schritt zurück. „Nein, das ist nicht möglich! Es gibt keine Vampire“ Roman sah sie ernst an „Oh doch, es gibt sie Isabelle! Auf uns allen aus dem Hause Gramont lastet dieser Fluch. Eine Vampirin verliebte sich einst in meinen Onkel, doch er  war bereits verheiratet. Die Vampirin tötete seine Frau und um sicher zu stellen, das er ihr gehorchen würde, wandelte sie den Rest der Familie in Vampire um.“ Isabelle konnte kaum glauben, was sie da hörte. „Bin ich jetzt auch ein....ein Vampir???“ Roman nickte stumm. Isabelle schwankte und wenn Roman sie nicht gehalten hätte, wäre sie wohl hingefallen. „Wie konntest du mir das antun?“ fragte sie voller Schmerz. „Ich liebe dich, deshalb habe ich dich verwandelt. Bitte verzeih  mir!“ bat er  und ein Flehen lag in seinem Blick. Tief in ihrem Herzen wusste Isabelle, dass es keine andere Möglichkeit gegeben hatte, sie zu retten. „Aber ich will niemanden töten müssen, nur um selbst zu leben“ Roman nahm ihre Hand “Das musst du doch auch nicht, Liebes. Die meisten Vampire trinken immer nur ein bisschen und legen anschließend den Mantel des Vergessens über ihr Opfer.  Oh bitte Isabelle, begleite mich auf meinem Weg durch die Nacht“ Isabelle dachte eine Weile nach, dann hatte sie sich entschieden „Ich verzeihe dir und werde mit dir kommen, denn ich liebe dich und hier hält mich nichts mehr.“  Roman küsste sie sanft „Du wirst es nicht bereuen, meine Liebste!“.